Florian Malescha
Partner - Patentanwalt
4.7.2024
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Artikel

BGH-X ZR 31/21 „Leistungsüberwachungsgerät“

Der BGH bestätigt die Entscheidung „Signalübertragungssystem“– wenn ein Patent abgelaufen oder erloschen ist, muss der Nichtigkeitsklägerein besonderes Interesse aufzeigen. Wenn ein Nichtigkeitskläger einewesentliche Unterstützungsleistung für einen Dritten zur Patentverletzung erbringt,sei das Rechtschutzinteresse zu bejahen, da jedenfalls aufgrund dieserMitwirkung der Nichtigkeitskläger ernstlich besorgen könne, ebenfalls aufVerletzung des Streitpatents in Anspruch genommen zu werden (Band Nr. 22 und23).

Bisherige Rechtsprechung:

In dem Fall „Signalübertragungssystem“ ging es um das Streitpatent „Signalübertragungssystem mit verringerter Komplexität“, das ein aus einem Sender und einem Empfänger bestehendes System zur Übertragung eines auf ein akustisches Signal, wie etwa gewandelte menschliche Sprache, zurückgehenden Eingangssignals betrifft.
Die Nichtigkeitsklägerin begründete das Rechtsschutzbedürfnis in Bezug auf die Nichtigerklärung eines bereits abgelaufenen Patents dadurch, dass dies zum Schutz der Abnehmer ihres Betriebssystems (nämlich Android) notwendig sei.
Die Nichtigkeitsbeklage und Patentinhaberin hatte bereits Verletzungsklagen erhoben. Daher könne der Klägerin nicht zugemutet werden, die damit begründete Unsicherheit hinzunehmen. Ein berechtigtes Rechtsschutzinteresse sei daher gegeben – auch gegen ein bereits erloschenes Patent. Der BGH hat den folgenden Leitsatz formuliert:

"Das nach Ablauf der Schutzdauer eines Patents erforderliche Rechtsschutzinteresse für eine Patentnichtigkeitsklage ist nur dann zu verneinen, wenn eine Inanspruchnahme aus dem Schutzrecht ernstlich nicht mehr in Betracht kommt“..

Zum Fall:

In der Entscheidung „Leistungsüberwachungsgerät“ hat der BGH erneut bestätigt, dass ein allgemeines Interesse nicht genügt, wenn ein Patent bereits abgelaufen oder erloschen ist, um es rückwirkend zu Fall zu bringen. Die Hürde soll aber, wie in der Vergangenheit entschieden wurde, nicht allzu hochangelegt werden dürfen, wenn der Kläger Anlass zu der Besorgnis hat, er könne auch nach Ablauf der Schutzdauer Ansprüchen wegen zurückliegender Handlungen ausgesetzt sein. Ein Rechtschutzinteresse dürfe in solchen Fällen nur dann verneint werden, wenn eine derartige Inanspruchnahme ernstlich nicht mehr inBetracht kommt (BGH, „Stammzellengewinnung“, Band Nr. 16).

In der vorliegenden Fallkonstellation betraf das Patent ein„GPS-basiertes Gerät zur Überwachung der Leistung“, sprich eine „Tracker-Uhr“, bei dem eine Übermittlung der gesammelten Daten an eine zentrale Sammelstelle erfolgt, welche die Daten auswertet.

Ein Rechtsschutzbedürfnis hatte das Bundespatentgericht zunächst mit derBegründung abgelehnt, dass nicht die Nichtigkeitsklägerin selbst, sondern einverbundenes Unternehmen auf Verletzung aus dem Patent verklagt wurde. Vorliegend war es aber so, dass „Kunden, die eines der mit der Verletzungsklage angegriffenen Geräte nutzen möchten, mit der [Nichtigkeitsklägerin] eineVereinbarung über die Verarbeitung der dabei anfallenden Daten schließen.“Die Kunden seien typischerweise interessiert, das erworbene Gerät bestimmungsgemäß zu nutzen, was die besagte Nutzungsvereinbarung mit derNichtigkeitsklägerin erfordert, die somit eine wesentlicheUnterstützungsleitung bei der patentverletzenden Handlung vornimmt. „Jedenfalls aufgrund dieser Mitwirkung muss die [Nichtigkeitsklägerin] ernstlich besorgen, ebenfalls wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommen zu werden“(Rn. 22, 23).

Somit wurde das Rechtsschutzinteresse bejaht. Der BGH hat auch bestätigt, dass der Nichtigkeitskläger in einem derartigen Fall zwar auch im Interesse seiner Kunden/eines Dritten tätig ist, die Nichtigerklärung jedoch auch in seinem eigenen Interesse läge, da er befürchten müsse, von dem Dritten in Regress genommen zu werden.

Fazit:

Die Entscheidung stellt im Ergebnis eine Fortführung der bisherigen Rechtsprechung dar. Wenn ein Patent abgelaufen ist, muss einbesonderes, i.d.R. eigenes Rechtsschutzinteresse dargelegt werden – wenn aber zu befürchten ist, selbst von Dritten in Anspruch genommen zu werden, kann ein Rechtsschutzinteresse von Dritten genügen.

Gez.

Florian Malescha

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